12.-20.05.2018: Bahnvielfalt zwischen Maas und Rhein – Studienfahrt
in die Niederrheinische Bucht und an den Mittelrhein
in die Niederrheinische Bucht und an den Mittelrhein
Rückblick von Peter Hartmann
Je nach Interessenlage und zeitlichen Möglichkeiten hat etwa ein Drittel der Fahrtteilnehmer nur den ers-ten bzw. den zweiten Teil des Programms unserer diesjährigen großen Studienfahrt gebucht; einige haben sich die Tage sogar noch individueller zugeschnitten. Wie auch bei unseren früheren Mehrtagesfahr-ten hat diese Maßschneiderei dank entsprechender differenzierter Ausschreibung und Roland Brauns Baukastensystem wieder problemlos geklappt. Im Durchschnitt aller Tage waren etwa 42 Personen dabei, und die konnten so genau das erleben und erfahren, was sie am meisten interessierte.
Das Thema Brohltalbahn und ganz besonders der von allen Schmalspurfreunden begrüßte Einsatz der B’B Malletlokomotive Nr. 11 von 1906 brachten dann am Samstag noch einmal geradezu euphorische Stunden. Während der Fahrt von Brohl bis Oberzissen und zurück mit der auch äußerlich hervorragend gepflegten 4-Zylinder-Verbund-Maschine konnte man sich entweder als Fahrgast in frühere Zeiten zu-rückversetzen oder von einem Kleinbus aus an ausgesuchten Stellen den historischen Dampfzug fotografieren. Auf der ehemals mit Zahnstange ausgestatteten 50‰-Steilstrecke zwischen Oberzissen und dem 463 m hohen Engeln musste die Mallet ihren Zug allerdings an die – auch schon nostalgische – O&K Diesellok D2, einen C-Kuppler von 1965, abgeben. In Engeln gab es ein einfaches Mittagessen, bevor die Rückfahrt nach dem gleichen Modus angetreten wurde – mit schöpferischer Pause im histori-schen Bahnhof Burgbrohl und erneut zahlreichen Fotomöglichkeiten.
In Erinnerung bleibt eine kreativ konzipierte und bestens organisierte Studienfahrt mit ab-wechslungsreichen Bahn-Schwerpunkten aber auch lehrreichen und erfreulichen Einblicken in das Leben und die Kultur zwischen Maas und Rhein. Unser Dank gilt an erster Stelle Roland Braun für Planung und Reiseleitung, Rainer Vogler für die Anfertigung der Fahrtunterlagen, Dagny Jung für ihre souveräne finanziell-buchhalterische Abwicklung sowie allen, die sonst zum Gelingen dieser schönen Exkursion beigetragen haben.
Die beiden Regionen – die östlichen niederländischen Provinzen Limburg, Brabant und Gelderland und das deutsche Rheinland zwischen Aachen und Bingen – sind direkt benachbart, und dennoch haben wir dort recht unterschiedliche Mentalitäten, Landschaften und Kulturen erlebt. Jahrhundertelange getrennte geschichtliche Entwicklungen diesseits und jenseits der Grenzen haben offenbar ihre Wirkung getan. Jede pauschale Beurteilung unterliegt der Gefahr von nationalen Klischees – aber in den Gesprächen unserer Gruppe überwog doch die lobende Bewertung der Atmosphäre und des Erscheinungsbildes in unse-rem westlichen Nachbarland. Das begann mit dem Eisenbahnwesen, das durch Modernität, guten technischen Zustand und erstaunliche Pünktlichkeit geprägt ist. Gelegentliche Fahrplan-Unregelmäßigkeiten gab es, aber das war – im Gegensatz zu der Situation in Deutschland – die seltene Ausnahme. Wir haben im Allgemeinen ausreichende Kapazitäten in den von uns benutzten Zügen vorgefunden, die Sauberkeit war vorbildlich, und die Bahnhöfe waren ansehnlich, z.T. geradezu eine Augenweide. Die beiden, in jüngster Zeit umgebauten Knotenpunktbahnhöfe Utrecht und Arnhem imponieren durch moderne, fantasievolle und großzügige architektonische Gestaltung; Maastricht wiederum ist ein wahres Schmuckstück historischer Bahnhofsarchitektur.
Wer die Gelegenheit zu etwas ausführlicherer Stadtbesichtigung in Maastricht, Nijmegen oder (wie der Verfasser dieser Zeilen) Utrecht wahrgenommen hat, konnte sich an gut erhaltenen und interessanten Stadtbildern erfreuen, die gleichwohl nichts Museales an sich haben, sondern Zentren modernen urbanen Lebens sind. In Maastricht war zudem der hohe Anteil jüngerer Leute auffällig, was sicher mit der dortigen großen Universität zu tun hat. Auch in den großen, nur durchfahrenen, Städten wie Sittard, Eindhoven,`s Hertogenbosch oder Utrecht konnte man aufgrund der vielen modernen Verwaltungs- und In-dustriebauten die wirtschaftliche Dynamik in den Niederlanden spüren – wie die Neigung zu manchmal wagemutiger Architektursprache.
Bestimmt werden Bilder in unserem späteren Fahrtbericht einen guten Eindruck von dieser Stimmung vermitteln, ebenso auch von der zwischen Hügel- und Waldland in Limburg und dem typischen Flachland mit seinen vielen Wasserläufen um Maas und Rhein wechselnden geografischen Situation. Mit einem Hinweis auf die in den Städten überall wuselnden Radfahrer (bemerkenswerterweise alle ohne Schutzhelm…) möchte ich dieses „Stimmungsbild“ abschließen. Sie werden bemerkt haben, wie sympathisch mir das alles war und ist. Vielleicht lässt sich in gebührendem zeitlichen Abstand ja auch noch einmal eine kompakte Studienfahrt in das Münsterland und die dort angrenzenden niederländischen Regionen Overijssel und Gelderland realisieren. Da kennt sich Roland Braun aus wie in seiner Westentasche.
Unser eigentliches Fahrtprogramm führte uns ja bekanntlich z.T. an der deutsch-niederländischen Gren-ze entlang: Das begann bereits am Anreisetag, Samstag, dem 12.05.2018, mit dem Aachener Raum zwischen Stolberg und Herzogenrath auf dem Netz der Euregiobahn, die mit ihren zweiteiligen Talent-Dieseltriebwagen zuvor dem Verfall preisgegebene Gleise wiederbelebt hat. Wer den legendären Ze-chenbahnbetrieb um Alsdorf noch erleben durfte (wie der Verfasser dieser Zeilen), sah mit einem la-chenden und einem weinenden Auge einerseits die heutigen Brachflächen mit einigen Bergbaurelikten, andererseits aber auch einen vorbildlichen modernen Nahverkehrsbetrieb.
Der zweite Tag vom Standort Maastricht aus führte uns gleich wieder nach Deutschland: in das Selfkant mit seiner meterspurigen Museumsbahn auf einem Reststück der ehemaligen Geilenkirchener Kreisbah-nen. Hier kamen die Kleinbahn- und Schmalspurfreunde bei zahlreichen Fotohalten sowohl mit einem ehemaligen Industrie-Zweikuppler wie auch einem Dieseltriebwagen von der ehemaligen Mittelbadischen Eisenbahn mit Sonderzügen auf ihre Kosten – parallel dazu aber auch die Liebhaber von Bus-Oldtimern vor der Kulisse mehrerer historischer Windmühlen (nota bene in Deutschland, nicht in Holland!). Auch am dritten Maastricht-Tag, dem 14.05.2018, blieben wir in Grenznähe, in der Region um die ehemalige Kohle-bergbau-Stadt Heerlen, und wickelten ein schönes Fahrt- und Fotoprogramm auf der sogenannten „Millionenlinie“ ab, das viele wahrscheinlich als Höhepunkt des Niederlande-Teils erlebt haben. Die in Simpel-veld beheimatete Zuid-Limburgse Stoomtrein Maatschappij ließ uns einen attraktiven Sonderfahrt-Tag mit ihrer aus Schweden stammenden 1’D-Dampflok erleben und sorgte auch sehr gut für das leibliche Wohl der Teilnehmer.
Nur am ersten Tag, dem 13.05,2018 lag der Programmschwerpunkt in einer entfernteren Region: Mit einem Doppelstock-Triebwagen der NS ging es quer durchs Land zunächst nach Utrecht und von dort ins gelderländische Apeldoorn, wo eine Sonderzugfahrt auf der Museumsstrecke der Veluwsche Stoomtrein Maatschappij begann. In NS-Wagen der 1920er Jahre und hinter der 1943 in Grafenstaden/Elsass gebauten 44 1593 führte diese über Beekbergen, den Betriebsmittelpunkt der Bahn, nach Dieren an der Strecke Deventer – Arnhem, von wo die Rückfahrt mit Umstieg in ´s-Hertogenbosch und Sittard angetre-ten wurde. Die ursprünglich vorgesehene Lok der DB-Baureihe 23 hatten die niederländischen Eisen-bahnfreunde nicht betriebsbereit machen können. Fotografische Höhepunkte dieses Tages waren sicher die Scheinanfahrten unseres Zuges und eines Fotogüterzuges mit der NS-Nachkriegs-Diesellok 2459 an einem Bahnübergang bei Leunen. Die Mittagspause in Beekbergen bot Gelegenheit, den umfangreichen Fahrzeugpark dieser Bahn (u.a. mit mehreren ehemals deutschen Dampfloks und unterschiedlichsten Reisezugwagen) in Augenschein zu nehmen.
Zurück nach Deutschland und damit zum zweiten Teil der Studienfahrt ging es „natürlich“ nicht auf dem kürzesten Weg, sondern – um die Vielfalt des niederländischen Bahnbetriebs zu erleben – entlang der Maas über Roermond, Venlo und Nijmegen zunächst nach Arnhem, und von dort bis zum Grenzort Zevenaar. Dort hätten wir eigentlich Gelegenheit haben sollen, mit einem Busabstecher Güterzüge auf der neugebauten und mit 25 kV/50 Hz elektrifizierten Betuwelinie, einer Querspanne zwischen dem Rotterdamer Hafen und dem Rhein-Ruhrgebiet, zu beobachten und zu fotografieren. Wegen großer Fahrplanlücken wäre es aber wohl ein Glücksspiel geworden, und so beschränkten wir uns darauf, Triebwagen verschiedener Nahverkehrsunternehmen (u.a. Abellio von und nach Deutschland) mit der fotogenen Windmühle des Ausschreibungsprospekts aufzunehmen und von Zevenaar nach Oberhausen zu fahren.
Verblüffenderweise muss der Wettergott wieder einmal gnädig mit den Verkehrsfreunden gewesen sein: In der Region um Venlo gab es nämlich am Nachmittag einen Tornado mit den entsprechenden Folgen auch für den Bahnverkehr, dem wir – ohne es zu wissen – genauso entgangen sind wie dem heftigen Gewitter im Raum Köln-Bonn. Dafür hatten wir das besondere Erlebnis einer baubedingten Umleitungs-fahrt von Duisburg auf der alten „Rheinischen Bahn“ über Wedau, Düsseldorf-Eller, Hilden und Opladen nach Köln. Der Wald auf dem Gelände eines der ehedem bedeutendsten deutschen Rangierbahnhöfe (Duisburg-Wedau) zeigte in deprimierender Weise den sogenannten Strukturwandel im Güterverkehr. Offenbar stechen einem die trotz des gewaltigen Sanierungsprogramms der DB oft doch ungepflegt wir-kenden Bahnhofsanlagen und der Wildwuchs entlang den Strecken nach dem Grenzübertritt angesichts des positiveren Bildes der niederländischen Bahnen stärker in die Augen.
Dabei war der zweite Teil der Studienfahrt voll von begeisternden und hochinteressanten Erlebnissen rund um die Bahnwelt, und die landschaftliche Schönheit des Landes an Rhein und Mosel sowie in der Eifel hat sicher alle beeindruckt. Zu der entspannten und positiven Atmosphäre trug auch das angenehme Intercity-Hotel direkt am Bonner Bahnhof bei. Nur das Wetter zeigte sich am ersten Rheinland-Tag zunächst etwas mürrisch und feucht; es verbesserte sich aber von Stunde zu Stunde und blieb uns auch während der Folgetage gewogen.
Donnerstag, der 17.05.2018, begann mit einem Abstecher ins Ahrtal, das besonders in seinem oberen Teil durchaus gebirgigen Charakter hat und dadurch eine reizvolle Kulisse für Bahnfotos bietet. Gute Fotos verlangten allerdings, dass man sich zu Fuß entlang der Strecke bewegte, was viele auch taten. Zwei Tunnels und zwei Steinbrücken am Engpass bei Altenahr zeigten dem Geschichtskundigen, dass die Kapazität der eingleisigen Strecke aus strategischen Gründen erweitert werden sollte, und aufmerksame Beobachtung des nördlichen Talhangs ließ Hangviadukte und Tunnelportale einer von der Hochebene herabführenden Trasse erkennen. Im gleichen Zusammenhang ist die im Ersten Weltkrieg erbaute Remagener Rheinbrücke zu sehen, die bekanntlich kurz vor Kriegsende 1945 der US-Armee den ersten Rheinübergang ermöglichte. Nur vier Ecktürme auf den beiden Rheinufern haben den Einsturz der Brü-cke und die spätere Abtragung überlebt.
Der Nachmittag zeigte das Rheintal von seiner malerischen Seite: Auf getrennten Wegen erreichten die Teilnehmer Königswinter und die Zahnradbahn auf den Drachenfels, wo sie sich unter die Touristen mischten und den grandiosen Blick rheinaufwärts mit Bad Honnef und Rhöndorf im Vordergrund genos-sen. Der Tag klang sehr stilvoll in Königwinter mit einem Abendessen im Hotel „Loreley“ aus, das angeblich schon Kaiser Wilhelm II zu Gast hatte. Fast vor der Tür bestiegen wir die Bonner Stadtbahn und kehrten in unser Hotel zurück.
Der folgende Freitag hatte zwei Schwerpunkte: Am Vormittag Moseltal und Moselbahn, wobei uns zwei Charterbusse ermöglichten, einen exzellenten Fotostandpunkt an der Marienburg gegenüber Pünderich zu erreichen, wo die lange Bogenreihe des gleichnamigen Hangviaduktes mit verschiedenen Triebwagen ins Bild gesetzt werden konnte. Auf der anderen Seite des Bergsporns waren dann an der Bullayer Mo-selbrücke mit dem folgenden Tunnel charakteristische Fotos möglich, u.a. von einem Luxemburger Doppelstock-Triebwagen, vereinigt mit einer SÜWEX-Garnitur.
Nach langer Fahrt über Trier und die landschaftlich sehr reizvolle Eifelbahn folgte am Nachmittag noch eine Sonderfahrt mit dem ex-SWEG-MAN-Schienenbus VT 9 auf der sogenannten Oleftalbahn zwischen Kall und Blumenthal mit der heftig fotografierten Fahrt über den Dorfplatz und durch enge Gassen im Ort Olef. Über Euskirchen erreichten die inzwischen doch recht müden, aber hochzufriedenen Verkehrs-freunde wieder die Bundesstadt Bonn am Rhein.
Gab es danach noch Steigerungsmöglichkeiten? Der Verfasser dieser Zeilen wagt, die Frage zu bejahen. Denn die Rückfahrt von Bonn nach Stuttgart am Pfingstsonntag, dem 20.05.2018, beinhaltete einen Abschnitt – Oberlahnstein – Bingen nämlich –, der nicht auf der Schiene, sondern auf dem Wasser zurückgelegt wurde. Selbst hartgesottene Bahnfreaks bekannten während dieser Fahrt, wie sehr sie die rund 6 Stun-den an Bord des Schaufelrad-Schiffes „Goethe“ beeindruckt und begeistert hat.
In der Tat kann man die vielbesungene und gemalte Schönheit des Rheintals mit seinen historischen und berühmten Orten und Burgen nicht inspirierender erleben als vom Wasser aus. Wenn man dann noch bei sensationeller Rundumsicht und durchaus mäßigen Preisen dinieren und einen ausgezeichneten örtlichen Weißwein genießen kann, fühlt man sich schon ein wenig „außerirdisch“. Der Namensgeber unseres Schiffes, der Herr Geheime Rat, hätte vielleicht passende Verse dazu gefunden. Rheinwein war ohnehin eines seiner Lieblingsgetränke.
Roland Braun wiederum war happy, dass seine Schiffs-Idee auf so fruchtbaren Boden gefallen ist. Nie hätte er erwartet, dass bis auf einen (!!) alle Teilnehmer die „Goethe“-Variante gewählt haben. Da unsere Übergangszeit auf die Bahn in Bingen reichlich dimensioniert war, konnte auch eine rund 45-minütige Verspätung des Schiffes infolge des starken Verkehrs mit Schubverbänden am Loreley-Engpass die freudige Stimmung dieses Tages nicht trüben: Mit Umstieg in Mainz und Mannheim gelangte das Gros der Teilnehmer problemlos wieder nach Stuttgart, wo bereits ihr Gepäck bereitstand.